Nationalsozialismus und Nachkriegszeit



Die Geschichte der Namensgebung spiegelt auch die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse wieder. Nicht nur Namen und Bezeichnungen änderten sich, sondern vor allem Inhalte. Mit Eintragung vom 18. November 1933 lautete der Name „Kleingärtnerverein am Birkenhain“ [6] und aus dessen „Vorsitzenden“ war der „Vereinsführer“ geworden.
Um hier ein Beispiel der inhaltlichen Änderungen anzuführen, soll der II. Nachtrag der Satzung vom 19.01.1935 zitiert werden:
1.) § 3 Mitgliedschaft, Punkt 3:
Jedes Vereinsmitglied ist verpflichtet an den angeordneten fachlichen Schulungsabenden und sonstigen Pflichtveranstaltungen des Vereins teilzunehmen. [7]
Die folgenden Jahre zeigen, wie die faschistische Diktatur in immer größerem Maße in das Vereinsleben eingriff und mit Reglementierungen über Anbau und Pflichtlieferungen direkt Auflagen erteilte.
Die Kriegsjahre hinterließen ihre Spuren in den Gärten. Die Hauptlast der Arbeit in diesen Zeiten lag jetzt bei den Frauen. Von der eigentlichen Idee, die dem Kleingartenwesen einmal zugrunde lag war, außer durch Bewirtschaftung den Hunger zu bekämpfen, nicht mehr viel geblieben. Die Sicherung von zusätzlicher Nahrung und teilweise die Laube als
Notunterkunft zu nutzen, bildeten nunmehr den Inhalt des Gartenlebens.
Baumaterial und Pflanzgut standen nur noch selten, wenn überhaupt, zur Verfügung und ein großer Teil der Bäume wurde während der letzten Kriegsjahre, und besonders danach, als Brennholz genutzt. Ebenso erging es vielen Zäunen. Die Vereinstätigkeit war faktisch zum Erliegen gekommen.
So bildete der II. Weltkrieg einen verheerenden Einschnitt in der Entwicklung des Vereins und nicht zuletzt auch in den Gärten der Kleingärtner. Die Bombenangriffe auf Chemnitz hatten auch die Kleingartenanlage in Mitleidenschaft gezogen. Einige Gärten waren direkt betroffen durch die Angriffe und manche waren nur beschädigt worden. Leider sind die schriftlichen Überlieferungen sehr spärlich, wenn auch aus nachvollziehbaren Gründen. Die letzte Eintragung über eine Mitgliederversammlung stammt vom 03.12.1944 und die nächste folgt erst am 16. März 1946. [8]

Bemerkenswert ist jedoch die Initiative und der Mut der Kleingärtner, die aus dem was übriggeblieben war, Obst und Gemüse teils zur eigenen Verwendung teils zum Tausch gewannen.
Mit dem Ende des II, Weltkrieges wurden auch alle Organisations formen des faschistischen Systems aufgelöst. In den offiziellen Akten findet sich in Blatt 61 der bereits erwähnten Akte folgende Eintragung:
24. Oktober 1946 von Amts wegen Auf Anordnung der Landesverwaltung Sachsen vom 14. Februar 1946 ist der Verein aufgelöst und in die Verwaltung der Stadtgemeinde Chemnitz übergegangen. [9]
Damit fanden die noch vorhandenen Aktivitäten wieder einen Rahmen. Bereits in der Hauptversammlung am 16. März 1946, auf der 21 Mitglieder anwesend waren, ist bekannt gegeben worden, dass eine Vereinstätigkeit (z. B. Versammlungen) zwar der Genehmigung der Polizei bedürfen, aber prinzipiell durchführbar sind.
Das Vermögen und alle einstweiligen Aufgaben ging an die Stadtgemeinde über. Bis April 1946 war eine Bilanz anzufertigen und einzureichen. Eine provisorische Leitung wurde eingesetzt und neue Satzungen übergeben. Von organisatorischer Seite galt die Aufmerksamkeit dem bei der Stadtgemeinde deponierten Geld, um Arbeiten für die Anlage weiterführen zu können.
Schäden mussten dringend behoben werden. Problem war vor allem die Beschaffung von Baumaterial, da sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel dem Wohnungsbau und der wieder zu installierenden und vor allem notwendigen Infrastruktur zuflossen. In einer Stadt mit dem Bedarf von Tausenden von Wohnungssuchenden keine einfache
Aufgabe. Trotz dieser zusätzlichen Belastung begann langsam das Leben in den kleinen Gärten wieder.
Das Bedürfnis nach Geselligkeit, gerade in und nach den schweren Jahren und der Gedanke des Schrebergartentums führten zur Belebung der Anlage und der Gemeinschaft der Gartenfreunde. Bis zum Ende des II. Weltkrieges hatte sich der Bestand der Kleingartenanlage auf insgesamt 30 Gärten entwickelt, die als Folge der
Kriegsauswirkungen, vor allem des Bombenangriffes vom März 1945 auf Chemnitz und Umgebung, mehr oder weniger zerstört, beschädigt oder sonst in Mitleidenschaft gezogen waren. Ebenso erging es dem Außenzaun, den Wegen und allen anderen Gemeinschaftsanlagen.
Bedingt durch die verheerenden Auswirkungen des II. Weltkrieges, auch auf die Zivilbevölkerung und die tiefen Einschnitte, die diese in allen sozialen Bereichen bis in jede Familie hinterlassen hatten, traten Ereignisse im kleingärtnerischen Zusammenleben und in deren Anlagen natürlich erst einmal in den Hintergrund. Die Interessen der Menschen waren daher vordergründig auf die Erhaltung der nackten Existenz - Ernährung - Wohnen - gerichtet.
Diese verständliche Grundeinstellung spiegelt sich natürlich auch in der Quellenlage zum Kleingartenverein wider. Ab Ende 1944 bis März 1946 gibt es so gut wie keine Aufzeichnungen oder Unterlagen. Fest steht, dass mit dem Ende des II. Weltkrieges durch die Besatzungsmächte (für Chemnitz durch die SMAD) alle juristischen, organisatorischen und verwaltungstechnischen Strukturen des faschistischen Staates zerschlagen und für aufgelöst erklärt worden waren. In einer schriftlichen Überlieferung des Gartenverein findet sich folgende Eintragung:

Durch die Antifa wurde verlangt, dass die Vereinsleitung von Mitgliedern die nicht der NSDAP angehört haben, übernommen wird. Ich habe daher am 25. Mai 1945 eingesetzt
Herrn Walter Dietel als Vereinsleiter
[Herrn] Hans Mielke [als] Kassierer
[Herrn] Heyer [als] Schriftführer
und diese neue Besetzung am 26. Mai 1945 Herrn Sohr, Chemnitztalstraße 103, dem Obmann der Gruppe Nord, gemeldet. Athur Stadelmeyer bisher Vereinsleiter [10]
Für das Kleingartenwesen musste jedoch ebenfalls eine Organisationsform gefunden werden. Die wichtigsten Festlegungen für eine Neuregelung des Kleingartenwesens waren, dass zunächst alle Versammlungen der Genehmigung durch das Polizeipräsidium bedurften und Grund und Boden sowie Vermögen der Vereine an die Gemeinde übergingen und somit eine Art Bilanz einzureichen war. Die Geschäfte wurden also zunächst von dem eingesetzten Vorstand bis zu seiner Bestätigung bzw. Neuwahl am 16. März 1946 weitergeführt.
Ungeachtet der Formalitäten und zu treffenden Regelungen setzten die vorhandenen Mitglieder bzw. deren Angehörige enormen Fleiß und viel Energie daran, die beschädigten Flächen und Zäune wieder in Kleingärten zu verwandeln und zum Anbau von Gemüse und Obst nutzen zu können. Der Anbau von Blumen trat zunächst ebenso in den
Hintergrund wie die Sorge um die Gemeinschaftseinrichtungen.
Wie viel Schweiß und Anstrengung dazu gehörten die Kleingärten wieder in Oasen des Lebens zu verwandeln, kann eigentlich gar nicht beschrieben werden. Die Ergebnisse der damaligen Bemühungen sind aber ablesbar in der erfreulichen Entwicklung der Kleingärten und der Gemeinschaft derer, die sie vollbracht hatten.
