Vereinsgründung und Geschichte bis ca. 1930

Auf der Suche nach Belegen für die eigentliche Geburtsstunde unseres Kleingartenvereins „Am Birkenhain“ e. V. muss man sicherlich neben schriftlichen Quellen auch eine ganze Anzahl subjektiver, d. h. persönlicher, Überlieferungen verschiedener Gartenfreunde in Betracht ziehen.

Maßgebend war, dass die entstandene Lebenslage in der Zeit des I. Weltkrieges und danach, der Hunger, die tägliche Not und die Suche nach Lebensmitteln zur Linderung des größten Elends, vor allem unter den armen Teilen der Bevölkerung, nach Auswegen zu suchen zwang. So entstanden an der Emilienstraße in Chemnitz unmittelbar in der Zeit des I. Weltkrieges sogenannte „Kriegsgärten“. Dies bedeutet, dass die Stadt Chemnitz und umliegende Gemeinden Einzelpersonen kleine Landflächen auf der Basis eines Pachtvertrages für die persönliche Bewirtschaftung zur Verfügung stellten. Hauptziel dieser Überlassung des Bodens war der Anbau von Obst
und Gemüse zur Verbesserung der Lebenslage.

Im Protokollbuch des Vereins ist in dem Abschnitt „Vorgeschichte“ davon die Rede, dass das Ganze „eine sehr lose Vereinigung von Gartennachbarn“ war, „von denen jeder unmittelbar ein Stück Land von der Stadtgemeinde gepachtet hatte“. [1]
Diese lose Vereinigung von Gärten an der Emilienstraße soll ab dem 1. Juli 1919 wirksam gewesen sein. Die zugängliche Aktenlage gibt im Einzelnen jedoch keine Auskünfte, geschweige denn einen verbindlichen Nachweis. Sicher ist, dass die ausdrückliche Bezeichnung „Kriegsgärten“ verwendet wurde und damit zugleich die zeitweilige Begrenzung des Pachtverhältnisses deutlich wird. Diese auf der Schulwiese an der Emilienstraße angelegten Gärten mussten bald wieder weichen, weil die Stadt Chemnitz, als Folge der Einführung des Sport unterrichtes, das Gelände zur Nutzung zurückforderte.

Auch die Kleingärten an der Agnes- und Josephinenstraße sowie an der Müllerstraße mussten der Nutzung oder Bebauung weichen. Die Auseinandersetzung und das für und wider um die Gärten ging aber offensichtlich über einen längeren Zeitraum.
Nach den Überlieferungen soll die Stadt Chemnitz bereits im Februar 1921 die Kündigung für diese Pachtflächen zum Ende des Jahres 1922 ausgesprochen haben.
Einen echten Beleg für den Bestand und die Weiterführung der Vereinigung liefert ein Zeitungsausschnitt (leider ist die exakte Quelle dafür nicht zu
ermitteln), in dem über eine Stadtverordnetensitzung in Chemnitz vom 26. April 1923 berichtet wird. [2]

Trotz alledem wurden weiterhin durch die Stadt Chemnitz Flächen angeboten, wobei die Stadt damit wichtige Traditionen in der Kleingartenbewegung entwickelte. In den zwanziger Jahren ist es sicherlich der Weitsicht und dem Engagement der Herren Stadtbaurat Richard Möbius und Gartenbaudirektor Otto Werner zu verdanken, dass zwischen 1922 und 1926 etwa 30 Kleingartenanlagen entstehen konnten.

Zu diesen Anlagen, die überwiegend auch heute noch existieren, gehört die Unsrige.
Meinungen für und gegen den Fortbestand der Gärten wurden vorgetragen. Zu einer Entscheidung, gleich welcher Art, kam es jedoch offensichtlich nicht. Wie aus Schilderungen von Gartenfreunden zu entnehmen ist, wurden die Flächen weiter bewirtschaftet.

Um diesen Schwebezustand zu beenden und das von der Stadt ins Auge gefasste Projekt der Errichtung einer Sportanlage zu realisieren wurde ein Klageverfahren eingeleitet.
Eine gerichtliche Entscheidung vom Dezember 1924 fiel gegen die Gartenvereinigung aus, da die Stadt Chemnitz eigene Ansprüche geltend gemacht hatte.
In den Jahren 1925 und 1926 wird diese Vereinigung noch unter der Bezeichnung „Gartenverein Emilienstraße“ in den Chemnitzer Adressbüchern geführt, taucht aber später nicht mehr auf.
Nach den Überlieferungen sollen einige Gartenfreunde ihre Flächen weiter bearbeitet und gleichzeitig neue Flächen für mögliche Gärten gesucht haben. Die Stadt bot zunächst ein Flurstück an der Glösaer Straße an (in der Nähe des Gartenvereines „Heimaterde“), welches sich in Pacht eines Bauern befand, der es, da es gutes Ackerland war, behalten wollte. Es soll ein Tausch von Seiten des Bauern vorgeschlagen worden sein, indem er ca. 7000 m2 Weideland und etwa 3770 m2 Birkenwald angeboten habe.
Ein anderes Angebot spricht von einer Fläche, begrenzt von der Chemnitztalstraße und der Glösaer Straße, sowie einer ansteigenden Fläche zu einem Plateau. Von der Gesamtfläche von ca. 14.880 m2 war nur etwa die Hälfte der Fläche für Gärten nutzbar zu machen.
Das Plateau, mit seinem reichen Birkenbestand, lieferte den Namen.

Kartenausschnitt ca. 1930
Kartenausschnitt ca. 1930

 


Kleingärtner und solche die es werden wollen sind Enthusiasten. Der Kampf zur Urbarmachung des Geländes und mit den Behörden konnte begonnen werden. Den Aufzeichnungen des Vereins ist zu entnehmen, dass ehemalige Mitglieder der Kleingartengenossenschaft Emilienstraße für den neu zu
gründenden Verein zur Verfügung standen, wobei zu einer Vereinsgründung 30 Anwärter vorhanden sein mussten [3], aber nur 14 tatsächliche Bereitschaft bekundeten.

Das Gelände ist von der Chemnitztalstraße steil ansteigend und führt zu einem Plateau welches in nördlicher Richtung in einem Wiesengrund verläuft und in südlicher Ausdehnung schluchtartig ein Tal bildete. Also ein noch sehr natürliches Gelände mit all den Schwierigkeiten unerschlossener Grundstücke, die allerdings den Pioniergeist der Kleingärtner herausforderten und schließlich zu dem heutigen Ergebnis führten.Die Gelände der Flurstücke 99 und 114 der Gemarkung Furth, waren zum Teil ausgelehmt worden und blieben dadurch zunächst bis 1947 ungenutzt.

Diese wurden jedoch auch in Kleingärten (ohne Zustimmung und gültige Verträge) aufgeteilt und entsprechend der gegebenen Möglichkeiten genutzt. Das Gelände entwickelte sich stattdessen zum Leidwesen der Betreiber und der Anlieger zu einer illegalen Mülldeponie. Erst durch einen Vertrag
der Stadt Chemnitz mit der damaligen Deutschen Reichsbahn vom Frühjahr 1952 konnten Verfüllungsmaßnahmen zu einer Geländeregulierung vorgenommen werden. Von den Auswirkungen dieser Maßnahmen waren auch einige Kleingärten betroffen. Die Beschwerlichkeiten für die Kleingärtner wurden obendrein durch die Schwere bei der Bearbeitung des Verwitterungslehmes und das zeitweilig anfallende Regenwasser vergrößert; waren aber für sie kein Hindernis.

Erste Lauben
Erste Lauben "Gruppe Otto"

 

Nach diesem kurzen Vorgriff in die noch kommende Zeit des Vereins zurück in das Jahr 1927.
Am 23. März 1927 fand eine Zusammenkunft von sechs ehemaligen Mitgliedern der schon vorher bestehenden Vereinigung statt. In der Registerakte 590/28 des Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden befindet sich auf Blatt 1 eine Eintragung folgenden Wortlautes: „26. September 1923, Kleingartengenossenschaft Emilienstraße Chemnitz“. [4]

Auf diesen Tatbestand wird sicherlich Bezug genommen, wenn überliefert wird, dass sechs ehemalige Mitglieder (Kühn, Mende, Kugler, Nagler, Seifert und Voigt) des alten Vereins in den neuen übergingen.
Gleichzeitig wird vermerkt, dass zwar die Namensregelung Kleingartenverein „Am Birkenhain“ in Chemnitz erfolgte, jedoch keine Wahlhandlung für den Vorstand (Vorsitzender und Schriftführer), sondern lediglich der Kassenwart und ein zweiter Schriftführer hinzu gewählt worden sind. Erst unter dem 14. Mai 1928 findet sich in der gleichen Registerakte ein Eintrag, dass unter Bezug zu einer Hauptversammlung der §1 der Satzung abgeändert und der nunmehrige Name des Vereins ordnungsgemäß eingetragen worden ist.
Diese Eintragung erfolgte interessanterweise erst, nachdem dem Vorsitzenden Emil Seifert bei Nichteinhaltung des Termins ein Ordnungsgeld von 3 RM angedroht worden war. [5]
Man sieht, manchmal kann die Androhung von Ordnungsgeld auch nützliche Dinge bewirken.

Emil Seifert und Gattin
Emil Seifert und Gattin